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Musikschulchef Nieswandt im Interview

Mit Geige und internetfähigem Kabel auf dem Weg zum Unterricht: Musikschuldirektor Martin Nieswandt.

 

Musikunterricht ohne das Lehrer und Schüler sich direkt gegenüberstehen? Das gibt es und Corona beschleunigt diesen Trend aktuell. Aber ist das ein Modell für die Zukunft? Der Leiter der Musikschule des Emslandes, Martin Nieswandt, sieht im Interview zwar durchaus Vorteile. Den Präsenzunterricht an Gitarre und Oboe werde die Technik aber so schnell nicht ersetzen.

Herr Nieswandt, vor Kurzem hat ein Bericht in unserer Zeitung für etwas Verwirrung gesorgt. Was war los? 

Nieswandt: Einige Schüler und Lehrer hatten den von der Redaktion überarbeiteten Bericht so verstanden, dass der Präsenzunterricht an unserer Musikschule eingestellt werde beziehungsweise wir wegen der Coronapandemie nur noch online unterrichten wollten. Das war aber so nicht gesagt – es ging darum, auf ergänzende Angebote aufmerksam zu machen und zu zeigen, dass wir auf die besonderen Umstände reagieren.

Digitaler Unterricht also als Ergänzung?

Genau. Schon zwei Tage nach dem ersten Lockdown im März haben erste Lehrerinnen oder Lehrer von uns digital unterrichtet. Das war beeindruckend schnell und funktionierte ganz gut. Denn es ging vor allem darum, den Kontakt zu unseren Schülerinnen und Schülern zu halten.

Und wie läuft Musikunterricht per Videokonferenz in der Praxis? Ich stelle mir das schwierig vor.

Es zwar im Prinzip noch nie so einfach, wie heute. Dennoch gibt tatsächlich ein Problem und das heißt Latenz. 

Es geht also um den Zeitversatz, der bei der Übertragung entsteht.

Genau. Trotz Glasfasertechnik kommen die Audiosignale immer leicht zeitverzögert beim Empfänger an. Das ist beim gemeinsamen Musizieren noch ein Problem.

Sehen Sie da eine Lösung?

Fachleute arbeiten zumindest daran, über Softwarelösungen den Versatz rauszurechnen. Vielleicht ist auch das noch schnellere 5G-Netz eine Lösung. Das schließe ich jedenfalls nicht aus.

Und dann schließen Sie die Musikschule ab und alles läuft online?

Auf gar keinen Fall. Beim Musizieren entsteht eine Nähe, die digital bisher nicht herzustellen ist. Etwas multisensorisches, das schwer zu beschreiben ist, aber den Reiz des Gemeinsamen ausmacht. Ich stelle dennoch fest, dass Online-Lösungen auch im Musikunterricht weiterhelfen können.

 

 

Auf Abstand: Unterricht in der Musikschule des Emslandes in Meppen.

 

Wo zum Beispiel?

In einer Pandemie wie dieser liegen die Vorteile auf der Hand. Wir können unterrichten, ohne dass man sich treffen muss. Auf Dauer kann das auch ohne Corona für gesundheitlich eingeschränkte Menschen oder solche mit sehr wenig Zeit eine Möglichkeit sein, trotz allem Musik zu machen oder zu erlernen. Nicht jeder möchte das, aber einigen könnte es helfen.

Und können Sie sich auch eine Kombination aus Präsenz- und Onlineunterricht vorstellen?

Hybrider Unterricht, der zwischen beiden Welten wechselt, ist sicher denkbar. Man muss weniger fahren, hat mehr Zeit und kann phasenweise aber doch die Vorteile des gemeinsamen Lernens und Lehrens nutzen.

Sie haben sich mit dem Thema vor kurzem an die Öffentlichkeit gewandt. Warum?

Wir wollen ganz sicher keiner Mode hinterherlaufen, sondern in Erfahrung bringen, ob digitale Lösungen auch im Emsland ankommen oder Vorteile bringen. Im ersten Lockdown waren wir dankbar, dass es sie gab und jetzt, dass es sie gibt. Wir sind aber erstens ganz klar ergebnisoffen. Wer sich analog wohl fühlt, wird das weiter bei uns finden. Und zweitens geht es am Ende um das gemeinsame, unbefangene Musizieren. Deswegen sehnen wir natürlich auch das Ende der Pandemie herbei.

 

Quelle: Meppener Tagespost, 08.12.2020 (Bericht: Tobias Böckermann)